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Dienstag, 12. Dezember 2017

Sammys wauschönes Weihnachtsabenteuer - Kapitel 10



10. Zwerge im Weihnachtsland! 



Gundar lehnte sich zurück, zündete sich eine Pfeife an und zog einige Male genüsslich. Sein Blick schweifte in die Ferne, als er zu erzählen begann:
"Wir Zwerge wohnten vor Urzeiten auf einem Planeten, auf dem wir ackerten, schufteten und sangen. Wir hatten ein ganz normales Leben. Doch eines Tages brach die Finsternis über unser Land herein. Dunkle Mächte, die uns zu nehmen suchten, was uns so vertraut war. Wir kämpften erbittert. Du musst wissen, das wir Zwerge ein kämpferisches Volk sind, wir lassen uns nicht gerne Vorschriften machen - und unterdrücken lassen wir uns schon gar nicht gern!" Dabei lachte er so heftig, das sein Bauch wackelte. "Doch diese Dunkelheit fiel nicht nur über unsere Welt herein, sie hielt Einzug in viele andere Welten. Einige bemerkten sie kaum, andere gingen nieder, und wir - tja, wir zogen aus, eine neue Heimat zu finden."
Sein Blick war für einen Moment verklärt. Er zog wieder an seiner Pfeife und fuhr fort:
"Eines nachts erschien den letzten der Verbliebenen ein Drache: Emmy. Sie sagte uns, wir sollen ihr folgen, sie habe ein Zuhause für uns gefunden, einen Ort, an dem es hell und leuchtend ist. Ein Ort der Freude und des Glücks. Natürlich waren wir skeptisch," ein Zwinkern in Richtung von Sammy, "denn immerhin war das doch ein wenig viel des Guten, und das so plötzlich. Und doch dachten wir uns, was hätten wir schon zu verlieren? So gingen wir mit ihr, und sie führte uns in die Weihnachtswelt. Wir trafen auf Niki und die Wichtel, und wir lernten den ersten Lebkuchenmann kennen. Wir sahen gleich, das es hier noch so einiges zu tun gab: nicht nur Häuser wollten erbaut werden, auch musste sich jemand um den Handel kümmern und um all die Arbeiten, für die die anderen nicht - wie drücke ich es am besten aus? - nicht talentiert genug waren."
Gundar und Urwi lachten.
"Die Wichtel sind doch mehr die geistigen Geschöpfe," nickte Urwi.
"Wir Zwerge sind mehr für handwerkliche Geschicke zu gebrauchen. Mit Geistigem haben wir wenig am Hut!"
Die beiden alten Freunde prosteten sich munter zu, und auch Sammy nahm noch einen großen Schluck.
"So halfen wir, die Weihnachtswelt handwerklich zu unterstützen. Wir hatten nicht nur eine neue Heimat gefunden, sondern auch neue Aufgaben. An sich, so könnte man rückblickend sagen, haben wir unser Leben hier einfach wieder aufgegriffen. Weißt du, alter Junge, wir sind gute Handwerker -," hier nickte Urwi anerkennend, " - und können mit allen handwerklichen Tätigkeiten fertig werden. Ich weiß nicht, ob es Niki so weit gebracht hätte, wenn wir nicht geholfen hätten."
Er hob seine Tasse zum Gruße, trank in einem Zug, schenkte sich nach und hielt sich, die Pfeife im Mundwinkel, mit beiden Händen den Bauch.
"Und vor Selbstbewusstsein strotzen die Zwerge geradezu!" lachte Urwi, hob ebenfalls seine Tasse und leerte sie. Die beiden Alten lachten sich an. Gundar nickte zustimmend.
"Recht gesprochen, alter Freund. Das ist unsere Zwergenart! Wir wissen sehr wohl, wer wir sind, und das ohne uns so einiges noch schief in den Angeln hängen würde!"
"Aber ihr und die Wichtel, ihr habt euch doch immer gemocht?" fragte Sammy, berauscht von Gundars Erzählung.
"Aber sicher!" riefen Urwi und Gundar wie im Chor.
"In der Zwergenwelt gab es bis zum Einzug der Finsternis keinen Hass. Wir haben einfach gelebt, so wie wir waren. Wir standen alle zusammen, einer zum anderen, Schulter an Schulter, Rücken an Rücken. Und dies haben wir Zeit unseres Lebens beibehalten: ein Freund ist ein Freund, auch wenn man sich nicht mit jedem einzelnen verstehen muss."
Die beiden Alten sahen sich mit einem vertrauten, engen Blick an. Einen Augenblick waren sie völlig ernst und ruhig. Sie nickten einander leise zu, als wüsste jeder von ihnen, was der andere dachte, was er fühlte. Sammy betrachtete sie eine Weile, wie sie so saßen in stiller Verbundenheit.
Dann sagte Urwi: "Und nun wird es Zeit für uns, die Heimreise anzutreten, lieber Sammy."
"Aber -" warf Sammy ein, "wie war es denn für euch Zwerge, einfach von eurer Heimat weggehen zu müssen?"
"Ui," sagte Gundar und sank zurück auf seinen Sitz, von dem er sich halb erhoben hatte. "Das ist eine schwere Frage. Sicher war es nicht leicht."
Er entzündete erneut seine Pfeife. Einen Augenblick rauchte er still, in Gedanken verloren. Urwi schenkte derweilen eine neue Runde des köstlichen Nikischlucks ein und bat Gundar, ihn einmal an der Pfeife ziehen zu lassen.
Sammy war gespannt, doch er fühlte sich zum ersten Mal, seit er in der Weihnachtswelt verweilte, entschleunigt. Er fühlte sich nicht mehr nervös und hibbelig, die Aufregung und die Anspannung wichen einem wohligen Gefühl, das ihn alles um sich herum vergessen ließ. Es war ganz so, als übertrage sich die Ruhe dieses Augenblicks auf ihn.
"Wir waren sehr traurig, Sammy, sehr niedergeschlagen. Wir hatten ja noch niemals zuvor einen anderen Ort besucht. Wer hat das schon? Die wenigsten von uns kommen doch überhaupt in den Genuss, Einblick in eine andere Welt zu erhalten! Und diejenigen, die diesen Luxus erfahren dürfen, haben im Hinterstübchen noch immer ihre Heimat. Sie wissen, das sie jederzeit dorthin zurückkehren können. Unsere Welt gab es einfach nicht mehr. Sie wurde verzehrt, aufgefressen. Doch als wir uns hier eingelebt hatten, hatten wir ein Gefühl, das wir bisher nicht kannten: wir waren zufrieden, durch und durch. Es gab nur noch Glück, keine Furcht mehr. Versteh' mich nicht falsch, alter Junge, wir waren natürlich auf unserer Heimatwelt auch glücklich und zufrieden! Doch - nennen wir das Kinde beim Namen - niemand denkt über das nach, was er hat. Er denkt nur daran, was ihm fehlt. Und so strebten wir nicht nach einer innerlichen Verbesserung, sondern nach Reichtum, nach Gütern, nach Materiellem. Wir nahmen alles als gegeben hin. Das die Finsternis kam war in gewisser Weise ein Segen - auch wenn wir es damals natürlich als Fluch sahen."
Er machte eine paffende Pause, trank einen kräftigen Schluck, beugte sich ein wenig vor und bedachte Sammy mit einem eindringlichen Blick.
"Als wir in der Weihnachtswelt landeten, war es anfangs ein Müssen. Wir mussten anpacken, weil unsere Hilfe - unübersehbar! - benötigt wurde. Doch mit der Zeit sahen wir, das alles Hand in Hand ging, und das kannten wir nicht. Wir Zwerge, wie erwähnt, lebten einfach unser Leben. Doch hier wurden wir jeden Tag auf's Neue beschenkt, und zwar mit dem Gefühl, etwas Gutes getan zu haben, andere glücklich gemacht zu haben. Mit der Zeit wurden unsere Aufgaben vielfältiger, ausgefeilter, anspruchsvoller. Und wir wuchsen über uns selbst hinaus. Ich sage dir, alter Junge, nichts gleicht diesem befriedigenden Gefühl, etwas wirklich Gutes vollbracht zu haben! Um deine Frage nun zu beantworten: -" Gundar lehnte sich wieder zurück, an der Pfeife ziehend, "- es schmerzte unglaublich, wie ein Brennen im Herzen, und war im Ende eine Wohltat! Nur hier waren wir befähigt, all das zu erschaffen, das uns auf unserer Heimatwelt so gefehlt hatte. Wir wurden glücklich!"
Sammy saß einen Moment schweigend. Nackdenklich sah er Gundar an.
"Fehlt euch eure Heimat denn immer noch?"
Gundar schüttelte den Kopf und sah Sammy tief in die Augen:
"Es tut weh daran zu denken, das unsere Welt einfach weg ist. Doch unsere wahre Heimat ist hier."
Urwi und Gundar wechselten wieder diesen vertrauten Blick. Doch sie bezogen Sammy mit ein, und Gundar legte dem gedankenvollen Hund die Hand auf die Pfote.
"Alles wird gut, mein alter Junge, glaube mir. Hier wird alles gut! Der Schmerz geht, und wandelt sich in Freude. Du wirst es sehen."
Er machte eine kurze Pause, erhob sich und sagte dann, mit energischem Tonfall:
"Einen letzten Schluck nehmen wir noch gemeinsam, dann schicke ich euch nach Hause. Immerhin habt ihr noch ein ganzes Stück vor euch, und Emmy wird unwirsch, wenn man Termine nicht einhält!"
Er lachte zwinkernd und entschwand in eine Seitentür, die Sammy bisher noch nicht bemerkt hatte.

Gundar hatte aus dem Keller einen besonders guten Tropfen geholt: würzigen Likör, für die beiden alten Herren mit einem Schuss Spezialmischung, für Sammy gemischt mit Nikis Schlummertrunk. Eine Kombination, die Sammy nicht nur schmeckte, sondern seine Gedanken von jeglichem Kummer befreite. Plötzlich spürte er tief in sich, das tatsächlich alles gut werden würde.

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