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Samstag, 9. Dezember 2017

Sammys wauschönes Weihnachtsabenteuer - Kapitel 8



8. Das Leben der Printenmännchen 



"Der erste Lebkuchenmann, damals noch unter dem allerersten Pfefferkuchenmann bekannt, traf auf Niki, als dieser kaum eine Woche in der Weihnachtswelt war. Bis zu diesem Zeitpunkt gab es nur eine Handvoll Wichtel, die beim Aufbau des Weihnachtsdorfes halfen - und Emmy natürlich. Die erste Printe - Lebi - bat die Wichtel, sich eine Bäckerei erbauen zu dürfen. Alle packten an, und so eröffnete die erste Backstube schon vor der Design-Abteilung. Lebi versorgte alle mit den schönsten Leckerbissen, denn er konnte nicht nur backen, sondern auch hervorragend kochen. Es war schnell klar, das dieser Lebkuchenmann für das leibliche Wohl zuständig sein würde. Er hatte Talent, Geschmack und konnte für jeden das richtige Mahl erspüren.
Es dauerte nicht lange, da fühlte sich der erste Printenmann sehr einsam. Er wünschte sich so sehr einen Gefährten, einen Freund. Doch er war der erste Lebkuchenmann, außer ihm gab es keine. Und so wuchs der Wunsch und die Sehnsucht nach einem Freund in ihm. Er wurde so mächtig, das Niki spüren konnte, wie einsam sich der Printenmann fühlte. Es war, als umgebe ihn ein Schein der Einsamkeit.
Niki sprach mit Emmy, die, wie ihr ja wisst, über große Magie verfügt. Mit ihrer Hilfe war es den Wichteln möglich, eine kleine Printe zu backen. Ein Printenbaby. Dieses Baby wurde auf Lebis Türschwelle gelegt, damit er sich morgens, wenn er in seine Bäckerei ging, über den Printennachwuchs freuen konnte. Das Baby lag in einem kleinen, fast schwarzen Lebkuchenkörbchen, eingewickelt in Zuckerguss, damit es ihm nicht kalt würde.
Lebi war außer sich vor Freude ob dieses unerwarteten und wunderbaren Geschenks! Er zog die kleine Printe groß, lehrte sie Backen und Kochen, und half ihr, ihre ersten Knöpfchen zu bekommen.

Die Knöfchen sind für uns Printen etwas ganz Wichtiges: jede Printe erhält im Laufe ihres Lebens Knöpfchen, die anzeigen, zu welcher Familie sie gehören. Ist der erste Knopf rot, gehört man zur Familie der Rotknöpfe, ist er grün, ist man ein Grünknopf. Die Knöpfchen wachsen an den Knopfbüschen, die ihr am Hang des Berges sehen konntet, der euch in unseren Ort führt. Anfangs sind die Knöpfe winzig klein, wie Stecknadelköpfe, und sie sind fast schwarz. Dann wachsen sie, werden fast weiß und erreichen bei Reife schließlich ihre satten Farben. Geerntet werden können sie nur an Heiligabend - dann ist die Magie hier in der Weihnachtswelt am stärksten, und alles gelangt zur Vollendung.
Unsere Knöpfchen werden von den Schneiderwichteln an Pullover, Westen oder auch Schals genäht. Und sobald wir wissen, zu welcher Familie wir gehören, erhalten wir an Neujahr eine Knopfkleidung.
Die Familien, Sammy, sind bunt gemischt: wenn ich ein Baby hätte, wäre es nicht automatisch wie ich ein Blauknopf, es könnte auch ein Gelbknopf sein. Es liegt daran, welches Talent die Printe entwickelt. Nicht jede Printe ist ein Bäcker oder Koch. Manchen liegen mehr die musischen Bereiche, die Literatur, Musik oder Malerei. Andere möchten die Welt erkunden, und wieder andere Printen widmen sich der Architektur oder der Zimmermannskunst. Die Bäcker und Köche sind alle Blauknöpfe. Die Künstler zählen zu den Braunknöpfen, eine herrliche Farbe, die aus allen anderen Farben gemischt wird. So bin ich also mit vielen Printen verwandt, die ich vielleicht noch nie gesehen habe."

Kalle lachte herzlich und nahm einen großen Schluck aus seiner humpengleichen Tasse. Dann fuhr er mit seiner Erzählung fort.

"Es gibt nicht nur Printenmänner, wie du gesehen hast, natürlich gibt es auch Printenfrauen. Welches Geschlecht wir haben, wird nicht bei der Geburt bestimmt, wie es bei den Menschlein oder auch den Wichteln üblich ist. Wie es eigentlich bei den meisten Lebenwesen so Gang und Gäbe ist... " Er lachte wieder auf. "Wir Printen entscheiden uns im Laufe des Lebens, ob und wenn ja welches Geschlecht wir besitzen wollen. Manche von uns haben gar kein Geschlecht, andere haben mehrere, und einige wechseln im Leben des öfteren mal hin und her."
"Wie geht das?" wollte Sammy wissen.
"Frauen können sich von den Printenbäcker-Wichteln Haare oder Schleifen anfertigen lassen. Aber das müssen sie nicht. Sie können Kleider tragen oder Hosen, die extra für sie gefertigt werden. Wir sind da keinem Gesetz unterworfen, guter Sammy, wir sind, was wir sind: Printen. Manche bennennen sich einfach um, andere legen ihre Haare ab und werden ein Printenmännchen, wieder andere ziehen sich Haare auf und werden ein Printenmädchen, aber letztendlich spielt das für uns alle keine Rolle."
"Und wie bekommt ihr Kinder, Kalle?" fragte Sammy, jetzt richtig neugierig.
"An Heiligabend bekommen all diejenigen von uns ein Printenkind auf die Schwelle gelegt, die es sich im Herzen sehnlich wünschen. Du musst wissen, Niki hat das Talent, diese tiefen Wünsche sehen zu können! Manchmal wissen wir es selber nicht, und umso schöner ist die Überraschung, wenn wir ein Kind bekommen. Übrigens muss man dazu kein Pärchen sein," er zwinkerte Urwi wieder zu, der erneut mit einem herzhaften Lachen antwortete, "jeder kann ein Printenkind bekommen, wenn der Wunsch danach nur ehrlich ist."
"Das ist wunderschön!" seufzte Sammy. "Ich habe nie davon gehört, es muss wunderbar sein, als Printe zu leben!"
Kalle lächelte und wiegte den Kopf hin und her.
"Ja, natürlich ist es ein herrliches Leben. Aber es birgt auch seine Gefahren."
Unruhig rutschte Sammy jetzt vom weichen Sessel und ließ sich zu Kalles enormen Füßen nieder.
"Wieso das?"
"Wir sind einfach rundum süß, Sammy," sagte Kalle ernst, "viele wollen uns anknabbern. Ja, wir selber wollen uns anknabbern, so bekömmlich sind wir!"
"Deshalb die ganzen Schilder überall!?" rief Sammy, nun verstehend, welchen Sinn diese Beschilderungen hatten.
"Ganz richtig, mein Freund! Sie sollen nicht nur andere, sondern auch uns selber immer ermahnen, uns nicht anzuknabbern."
"Und wenn es doch geschieht? Was ist dann? Tut es sehr weh?"
"Es zwickt," beruhigte Kalle Sammy und strich sanft über seinen Kopf. "Es zwickt einen Moment, danach ist alles gut. Die Printenbäcker-Wichtel fertigen dann speziellen Zuckerguss, mit dem wir verbunden werden, bis die Ersatzteile fertig sind. Diese bedürfen einer recht langen Backzeit, sie müssen weich, biegsam und doch sehr strapazierfähig sein, weißt du. Sie müssen ja Hitze aushalten, und sind weniger zum Verzehr geeignet als die anderen Lebkuchen, die gebacken werden. Und wir Printen sind auch alle unterschiedlich alt, so benötigt eine junge Printe weichere, hellere Teile, während die Alten dunkle und harte Teile brauchen. Wenn sie fertig sind, werden sie angepasst, als würde man zum Schneider gehen und sich einen Anzug anfertigen lassen, und werden mit durchsichtigem Zuckerguss angeklebt. Ist der Zuckerguss abgebröckelt, sitzen die neuen Teile perfekt. Manchmal kann man es sehen -" Kalle hielt Sammy seinen Ellbogen vor die Nase. Sammy konnte eine Rundung erkennen, als sei hier ein Stück herausgebrochen gewesen. "Den habe ich schon viele Jahre, und es war mir eine Lehre, mein Freund! Ich habe eine ganze Weile nur mit einer Hand backen können, und das war äußerst anstrengend."
Kalle lachte. Sammy war beruhigt, das die Printen doch so glimpflich davonkamen, wenn man sie anbiss. Sie waren aber wirklich auch zu süß!
"Und wurde... wurde denn schon mal... " Sammy wagte nicht, die Frage zu vollenden.
"Wurde denn schon mal eine Printe aufgegessen?" beendete Kalle die Frage. Sammy nickte traurig. "Aber nein, nur keine Bange! Das konnte bisher immer vermieden werden. Doch um vorzubeugen, leben wir hier ein wenig abseits des Weihnachtsdorfes. Dorthin verirren sich immer mal wieder Besucher - nicht wie du, Sammy, du bist ja Urwis Freund. Kein Besucher darf ins Printendorf, die Gefahr, das wir angeknabbert werden, ist doch allgegenwärtig."
Und er zwinkerte Sammy zu, der erleichtert lachte. Kalle war doch ein echter Scherzkeks.
"Es gibt also hier auch Wichtel, die Bäcker sind? Und wohnen sie auch hier? Und... und sind sie nie in Versuchung, euch anzubeißen?" fragte Sammy kurzheraus.
"Nicht jeder Wichtel möchte ja ein Designer werden, Sammy. Bei unseren lieben Freunden den Wichteln verhält es sich ebenso, wie bei uns Printen: jeder wird das, was er werden möchte. Ob Bäcker, Handwerker, Geschenkewichtel, ob Gärtner oder Globetrotter, Künstler oder Schlittenbauer - jeder hat sein Talent, das er hier ausleben kann. Die Printenbäcker-Wichtel leben tatsächlich hier bei uns im Printendorf. Sie kommen deshalb nicht in Versuchung, weil ihre Herzen Printen sind, weißt du. Sie sind eben als Wichtel geboren, aber ihre Seelen sind aus Lebkuchen."
Kalle zwinkerte wieder. Sammy war angetan von dem großen Pfefferkuchenmännchen. Seine Warmherzigkeit schien ihn wie ein Schimmer zu umgeben, und der Schalk saß ihm im Nacken.
"Dann muss es doch furchtbar sein, das manche so gerne Lebkuchen essen?" fragte Sammy nachdenklich.
"Aber nein, mein lieber, haariger Freund," lächelte Kalle und umarmte Sammy liebevoll, "ganz und gar nicht! Diese Lebkuchen haben keinen Zauber innewohnen, der sie fühlen lässt. Sie sind nur Kekse, eine feine Leckerei. Ich gestehe, das auch ich diesem Pfefferkuchen nicht abgeneigt bin. Zuweilen gönne ich mir einen, aber nur sehr, sehr selten. Ich möchte ja nicht auf den Geschmack kommen."
Wieder dieses herzliche Zwinkern.
Einen Moment saßen sie still beisammen, dann sagte Sammy: "Eine letzte Frage habe ich noch, Kalle, wenn du erlaubst?"
"Aber natürlich!" freute Kalle sich aufrichtig. "Es ist so schön, endlich mal wieder Besuch zu haben. Das ist doch etwas, das mir fehlt."
"Wenn manche Printen die Welt bereisen oder an anderen Orten wohnen, wie geht das dann dort? Sind sie denn dort sicher, meine ich?"
Kalle nickte anerkennend: "Eine interessante Frage. Um dich nicht im Argen zu lassen: ja, wir sind überall sicher. Ebenso sicher wie hier, im Printendorf. In der gesamten Weihnachtswelt ist bekannt, das wir leckeren Printen unter besonderer Obhut stehen. Da es hier keinen Hass und keinen Neid gibt, liegt es allen Lebewesen fern, einander Leid zuzufügen, und so sind die Printen überall behütet und geliebt. Was nicht unweigerlich bedeutet, das jeder sich mit jedem gleich gut versteht."
Er lachte, er zwinkerte, er wuschelte Sammys Fell durcheinander, er schlug sich mit der Hand auf den Oberschenkel und schien sich kaum noch einzukriegen vor Lachen. Ebenso erging es Urwi, der sich schüttelte und den Bart so fest hielt, wie Sammy es bisher noch nicht gesehen hatte. Tränen hatten sie in den Augen, doch schließlich fingen sich beide wieder und Urwi sagte:
"Herrlich, Kalle, herrlich! Vor lauter Arbeit hatte ich das Lachen fast schon verlernt."
Diese Aussage, von der Sammy nicht genau wusste, was genau sie zu bedeuten hatte, da er Urwi ständig lachen sah, ließ Kalle wie auch Urwi erneut in einen Lachkrampf verfallen. Sie liefen rot an, so schüttelte es sie. Erst nach einigen Minuten erlangten sie ihre normale Gesichtfarbe wieder, und Urwi sagte schließlich, noch ein wenig außer Puste:
"Leider wird es Zeit für uns, nun nach Hause zu fahren. Kalle, es war wunderbar bei dir!"
Kalle erhob sich, und Sammy erschrak einen Sekundenbruchteil erneut ob seiner gewaltigen Größe, und reichte Urwi die Hände, schüttelte sie und sagte:
"Es war so schön, das ihr mich besucht habt. Sammy -" er wandte sich an Urwis Gast, "solltest du noch Fragen haben, dann wende dich an Urwi. Er weiß alles über die Printen - naja, eigentlich weiß er alles über die Weihnachtswelt. Er kann dir alles erklären, niemand weiß so gut Bescheid wie er! Und wenn du mich mal wieder besuchen möchtest, dann nur zu! Ich würde mich sehr freuen, dich mal wieder bei mir begrüßen zu dürfen - jederzeit, wann immer du willst!"
Sammy wedelte freudig und wollte Kalle abschlecken, doch im letzten Moment besann er sich und ließ diese Geste seiner Freundschaft. Besser nicht, dachte er, besser nicht. Als sie auf der Türschwelle von Kalles Haus standen, fiel Sammy siedenheiß noch etwas ein:
"Eine Frage noch Kalle, es ist die letzte, versprochen!"
Kalle lachte herzlich.
"Alles was du willst, lieber Freund!"
"Ich möchte so gerne noch einen deiner Knöpfe sehen!"
"Hui," sagte Urwi, "ja, stimmt, das hätten wir fast vergessen!"
Kalle verschwand für ein paar Minuten im Haus. Als er wiederkam, hielt er eine Weste in Händen. Er streifte sie über. Sie war im selben Hellbraun gehalten wie Kalle selber, und hatte drei auffallend große, schöne, runde Knöpfe. Der oberste Knopf war blau, der zweite war rot und der dritte Knopf war braun.
"Ich bin ein Bäcker, ein Künstler und der rote Knopf steht für eine Printe, die immer lustig ist. So wie ich," und er lachte wieder.
Man konnte die Weste auf dem Printenmann gar nicht mehr sehen, aber die Knöpfe leuchteteten, das es eine wahre Zierde war.

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