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Mittwoch, 13. Dezember 2017

Sammys wauschönes Weihnachtsabenteuer - Kapitel 11



11. Die besonnene Rückfahrt 



In gewohnter Manier zog sich, nachdem er den magischen Staub verteilt hatte, Urwi die Decke über die Beine.
"Man ist eben nicht mehr so jung und widerstandfähig," lächelte er Sammy an und kraulte dessen Kopf.
Sammy nickte. Als sie langsam vom Boden abhoben, tat es Sammy ein wenig leid, Gundar verlassen zu müssen. Zum Abschied hatte der Zwerg ihn nicht nur herzlich umarmt und gedrückt, er hatte ihm auch ein Kleinod geschenkt: eine Kette mit einem orangefarbenen, seicht schimmernden Stein, der ein wenig die Form einer Bohne hatte.
"Dieser Stein," hatte Gundar gesagt, "ist so alt wie die Zwerge selber. Einst trugen wir ihn tief unter der Erde ab, reinigten und schliffen ihn, bis er seinen Glanz entfaltete. Er war ein Schatz, den jeder besitzen sollte. Er brachte uns Glück und Wohlstand, er bettete unser Dasein in Zufriedenheit und Frohsinn. Möge dieser Stein dich immer an mich erinnern, alter Junge, und dir all dies ertragreich bescheren!"

Mittlerweile zog die Dunkelheit des späten Nachmittags über das Land herein. Sie hatten doch länger bei Gundar verweilt, als sie es vorhatten, doch wer hätte sich aus dieser herzlichen Athmosphäre loseisen wollen? Der Schlitten glitt ruhig dahin, Urwi hatte sich zurückgelehnt und saß Schulter an Schulter mit Sammy, der das Glitzern des magischen Staubes betrachtete.
"Alter Freund, möchtest du mir nicht mal ein wenig vor dir erzählen? Wie bist du zu deiner Familie gekommen, und wie ist es dir im Leben so ergangen? Ich weiß ja, du bist ebenfalls betagt, da wirst du bestimmt so einiges erlebt haben!"
Sammy sammelte einen Augenblick lang seine Gedanken. Es fiel ihm ein wenig schwer, sich auf das Leben in der Menschenwelt, seiner Heimat, zu konzentrieren, nach all dem Fantastischen, das er hier erlebte.
"Ich war noch ein ganz kleiner Welpe, als Jeff mich zu sich nahm. Alle meine Geschwister waren schon weggegeben worden, jeder für sich. Ich war der Kleinste, und ich hatte kein so schönes Fell wie die anderen. Niemand wollte mich mitnehmen. Ich erinnere mich an die Worte 'kümmerlich' und 'mickerig', das hatte man zu mir gesagt. Die anderen waren schon stark gewesen und tollten herum, aber ich lag am liebsten bei meiner Mutter, sie war so schön warm."
Er seufzte, tief in Gedanken, und Urwi streichelte seinen Kopf.
"Jeff hob mich ganz sanft hoch, er wickelte mich in seinen Pullover, der ganz weich war. Ich bekam von ihm Milch und er legte mich jedes Mal, wenn ich müde war, in diesen Pullover und hielt mich fest. Ich erinnere mich an kaum eine Zeit meines Lebens, die ich ohne Jeff war. Er nahm mich überall hin mit, auch zur Arbeit durfte ich manchmal mitgehen. Wenn er nicht viel herumfuhr, sondern im Büro zu tun hatte, durfte ich auf dem Innenhof spielen und laufen, und er gab mir zu Mittag immer Stullen, die er extra für mich belegt hatte. Hundestullen nannte er sie. Ich glaube, es war gar kein Brot, aber ich erinnere mich nicht mehr daran, was es war."
Sammy musste kichern.
"Hundekuchen waren es," sagte er dann, als mit einemmal die Erinnerung zurückkehrte an diese längst vergangene Zeit. "Als ich größer wurde, sind wir immer viel gelaufen, und ich war auch nicht mehr ständig müde. Dann wurde mein Fell auch schnell schöner, es glänzte richtig, und der Doktor sagte, ich sei ein hübscher Bursche, der ganz schön groß werden würde. Jeff fand das gut, und der Doktor sagte ihm, das er alles goldrichtig mit mir gemacht habe."
"Oh ja, allerdings!" warf Urwi anerkennend ein. "Er hat ein gutes Händchen an den Tag gelegt."
"Wir machten alles zusammen. Er nahm mich manchmal mit in seine Stammkneipe, ich sagte ja schon, das er auch dann und wann einen Schlummertrunk nahm. Es machte immer viel Spaß mit ihm. Und Tim natürlich - Tim war noch klein, als ich zu ihnen kam, und er kümmerte sich auch liebevoll um mich. Er spielte mit mir, und wenn Jeff keine Zeit hatte, wickelte Tim mich in den weichen Pullover und hielt mich fest."
Er lächtelte angesichts dieser lang versteckten Erinnerung.
"Und dann kam Marina auf die Welt. Sie war so süß, so rosig und duftete ganz frisch. Neu. Sie war ganz neu. Ein wenig roch sie nach Jeff, ein wenig nach Ruby. Und doch hatte sie ihren ganz eigenen Geruch, herrlich geradezu! Ich habe oft lange an ihrer Wiege gesessen oder bei ihr übernachtet. Ich war immer ganz leise, damit sie schlafen konnte. Sie und ich, wir haben schon manchen Unsinn angestellt."
Wieder kicherte Sammy, und er wedelte mit dem Schwanz, konnte er doch die Bilder vor seinem inneren Auge sehen.
"Oft sind wir mit der ganzen Familie unterwegs gewesen. Wir waren viel draußen, im Wald spazieren oder auch mal in einem Park. Wir waren auch so richtig zelten, tagelang durch den Wald und haben Lagerfeuer angezündet. Ich mochte es, wenn es regnete, aber ich war immer froh, wenn wir alle im Zelt zusammensaßen und trocken blieben."
Urwi lachte lauthals.
"Du fragst, wie es mir ergangen ist, Urwi? Mir erging es wunderbar, ich bin glücklich. Ich liebe meine Familie, ich möchte nie bei jemand anderem sein."
Urwi nickte besonnen.
"Ja, alter Freund, das verstehe ich gut. Und sie lieben dich, das weiß ich. Ihr seid eine Familie, und das ist wunderbar!"
"Und was ist mit deiner Familie, Urwi? Möchtest du mir nicht erzählen, warum du nun ohne sie bist?"
Sammy schmiegte sich in Urwis Arm, und Urwi kraulte und streichelte ihn. Der alte Wichtel zog die Decke enger um die Beine, seufzte und begann leise, Sammy in sein Leben einzuweihen.

"Ich lebte schon einige Jahrzehnte auf der Weihnachtswelt, ehe ich ein wenig zur Ruhe kam vor lauter Arbeit und mir eines Tages die Frage stellte, ob ich denn alleine bleiben wolle. Ich hatte von Niki und Emmy so viel gelernt, das ich gerne mit jemandem teilen wollte. Und so wünschte ich mir dann nichts sehnlicher, als jemandem meine Liebe schenken zu können. Wie durch Zauberhand - und wer weiß, ob da nicht jemand tatsächlich gezaubert hat? -" er zwinkerte Sammy zu, der kichernd nickte, "lernte ich Hani kennen. Sie war eine Wichtelfrau ganz nach meinem Geschmack - nun ja, eigentlich hatte ich gar keinen Geschmack, denn bisher hatten mich die Wichtelinnen ja nicht interessiert. Hani und ich liebten uns wohl vom ersten Moment an, und so gründeten wir eine Familie. Wir hatten neun Kinder, sechs Mädchen und drei Buben. Alle gedeihten wohl, und Hani und ich arbeiteten zusammen an den Schlitten und nahmen in der Vorweihnachtszeit die Feinjustierungen vor.
Doch, wie du mitbekommen hast, brach eines Tages die Finsternis herein. Es war eine Zeit, in der es auf fast allen Welten düster wurde. Kriege, Hass, Missgunst und Gier herrschten vor. Auf einigen Welten machte es wohl kaum einen Unterschied zu vorher, so innerlich hässlich waren die Wesen dort, das sie es nicht einmal bemerkten. Doch in unserer Welt, in der wir Liebe als das höchste Gut erachten, Freundschaft und das Teilen, zerbrach unser Leben in unendlich viele Stücke. Wir hatten zwar unsere Magie, doch kamen wir nur schwer gegen diese dunkle Allmacht an. Wir hatten viele, sehr viele Opfer zu beklagen -"
Urwi hielt inne, seufzte herzzerreißend und wischte sich die Tränen aus den Augen.
"So habe ich denn meine ganze Familie an die Dunkelheit verloren. Ich blieb zurück, fast hoffnungslos. Doch dank Niki und Emmy, dank all der lieben Freunde, die ich hier habe, gelang es mir, nicht zu verbittern. Die Liebe hat es möglich gemacht, alter Freund. Sie ist mächtiger als alles andere und befähigt uns zu Dingen, die uns oftmals unmöglich erscheinen!"
Sammy stupste Urwi leicht an der Wange an, schleckte ihm kurz über's Gesicht und jaulte leise.
"Es tut mir so leid für dich, lieber Urwi! So unendlich leid. Ich verstehe deinen Schmerz, auch wenn ich gestehen muss, das ich froh bin, das ich solches Leid noch nie habe erfahren müssen."
"Ich danke dir sehr, mein lieber, alter Freund! Sammy, du hast ein gutes Herz, und ich bin sehr glücklich, das wir uns kennengelernt haben."
Sie sahen einander eine Weile still an. Und nun spürte Sammy diese starke Vertrautheit, die er zwischen Gundar und Urwi hatten beobachten können.
"Es tut gut, über die schlimmen Dinge des Lebens sprechen zu können. Einen Freund zu haben, mit dem man den Schmerz teilen kann - um dann wieder mit ihm lachen zu können!" sagte Urwi, drückte Sammy fest an sich und kuschelte sich wieder in seine Decke.
"Ja, das stimmt wohl. Ich hatte niemals einen Freund, mit dem ich sprechen konnte. Es ist wunderbar, dich getroffen zu haben, lieber Urwi." Sammy bedachte seinen Wichtelfreund mit einem liebevollen Blick, ehe er sich wieder dem Glitzern und Funkeln des magischen Staubes zuwandte.
So fuhren sie einträchtig dahin, bis sie das Weihnachtsdorf in der Ferne erkennen konnten.

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